Evelina Jecker Lambreva

Y – Z Atop Denk 2022, 2(10), 3.

Abstract: In ihrer Briefnovelle ermöglicht Evelina Jecker Lambreva den Leser:innen im literarischen Vollzug sowie aus einer persönlichen Perspektive einen Zugang zu einigen der zentralen Themen der Psychoanalyse: Tod, Krankheit in der Familie, Traumdeutung und mehr. Im Folgenden handelt es sich um fünf der insgesamt vierundvierzig Briefe, die monatlich im Y erscheinen.

Keywords: Briefnovelle, Tod, Trauer, Familie, Traumdeutung

Veröffentlicht am: 30.10.2022

Artikel als PDF: pdfBriefnovelle (41-44)

 

41.

Liebe Oma,

heute ist bei Mama wieder eine Mail eingeflogen. Diesmal von Massimo. Er wolle sie daran erinnern, was im Vertrag stehe, schreibt er. «Wenn während der Schwangerschaft die Kindseltern entscheiden, dass sie das Kind nicht mehr wollen, dann verpflichtet sich die Leihmutter abzutreiben», so heisst es im Vertrag, den Mama unterschrieben hat. Er verstehe es nicht, warum Mama die Abtreibung hinauszögere. Er hoffe wirklich, dass sie nicht die Idee habe, das Kind zu gebären und es zur Adoption freizugeben. Das komme nicht in Frage. Mama habe sich gefälligst an den Vertrag zu halten. Sie müsse sofort abtreiben, sonst gebe es für sie sehr unangenehme Folgen. Mama war völlig durch den Wind, als sie die Mail las. Seit dem Mittag erbricht sie nur noch, hat Durchfall und immer höheres Fieber. Ich wollte Tante Elvira fragen, was ich tun soll, wenn es so mit Mama weitergeht, aber sie nimmt das Telefon nicht ab. Wahrscheinlich ist sie noch auf Mama wütend. Anton und ich wechseln uns ab. Eine Stunde sitzt er neben ihrem Bett, eine Stunde ich. Wir gehen morgen nicht zur Schule, denn wir können Mama so nicht allein lassen. Sie hat grossen Durst. Anton macht ihr andauernd Tee. Ich habe ihr ein Becken heisses Wasser mit Meersalz darin für ein Fussbad gebracht. Das war ja dein Rezept, wenn früher jemand von uns krank mit Fieber dalag. Und da ging das Fieber ganz rasch herunter. Jetzt bei Mama aber nicht. Dein Rezept hilft ihr nicht, Oma. Medikamente darf und will sie nicht nehmen, wegen dem Baby. Sie hat uns gesagt, sie wird es behalten, möge kommen, was wolle. Niemand habe das Recht, ihr zu befehlen, was sie mit ihrem schwangeren Bauch mache. Als sie damals den Vertrag unterzeichnet habe, habe sie sich nicht gross überlegt, was sie da unterschreibe. Denn sie brauchte Geld. Dringend! Zum Glück hätten wir ein kleines Polster Erspartes. Das würde reichen, bis wir den zweiten Stock an jemanden vermieten könnten. Er wird also nicht mehr nur im Sommer an Touristen vermietet, sondern wir müssen jemanden finden, der die ganze Zeit hier wohnen wird. Mama ist zuversichtlich. Es gebe immer mehr Leute, die in der Stadt arbeiten, aber gern auf dem Land leben möchten. Und eine solche kleine Wohnung mit Meersicht, das sei doch ein Traum für viele.

Aber zuerst muss sie herausfinden, wie sie sich vor der Abtreibung retten kann. Vielleicht schmiert sie die Klinik mit Geld, damit die Klinik Massimo und Romina sagt, Mama habe bereits abgetrieben. Ich weiss es nicht. Mama war schon immer klug, Oma. Sie wird sich sicher etwas einfallen lassen, wie sie die beiden austricksen kann. Jetzt muss ich zu ihr gehen, Anton ruft nach mir. Ich glaube es geht ihr schlechter als noch am Tag. Ich denke, am besten rufe ich die 112 an, wenn sie noch mehr Fieber hat.

Küsschen

Deine Nadja

 

42.

Liebe Oma,

komm uns bitte zu Hilfe! Bitte, bitte! Hilf Anton und mir, denn ich weiss nicht weiter! Du hast es sicher vom Himmel aus gesehen: Mama ist im Krankenhaus. Sie hat eine schwere Vergiftung mit einem ansteckenden Keim. Wahrscheinlich von dem Eis, das wir damals gegessen haben, als wir die Möbel kauften. So haben es die Ärzte Tante Elvira gesagt. Das glaube ich aber nicht. Warum gerade Mama? Anton und ich haben auch viel Eis gegessen, sind jedoch nicht krank geworden. Hochansteckender Keim! Wir dürfen Mama nicht einmal im Krankenhaus besuchen, richtete uns Tante Elvira aus. Die Abteilung für ansteckende Krankheiten hat sie angerufen. Ich denke aber, dass nicht der Keim, sondern Romina und Massimo Mama krank gemacht haben, Oma! Sie und niemand anders! Jetzt kämpfen die Ärzte um Mamas Leben. Entweder überlebt das Baby und sie, oder sie sterben beide. Eine Abtreibung kommt gar nicht mehr in Frage. Die Gefahr, dass Mama dabei stirbt, ist anscheinend sehr gross, hat uns Tante Elvira auch gesagt. Und, als wäre das nicht genug Schrecken, träumte ich wieder einen Horrortraum. Den allerschlimmsten, den man sich vorstellen kann. Der allerschrecklichste in meinem Leben!

Der ging so: Ich habe jemanden in die Luft gesprengt und getötet. Mit einer Handgranate. Die bekam ich von Julia, das wusste ich im Traum. Und ich war dabei zufrieden, dass ich abgerechnet hatte mit jemandem, der es verdient hat zu sterben. Daraufhin wurde ich verhaftet und zum Tode verurteilt. Mit dem Urteil war ich einverstanden, denn es war gerecht. Ich sollte erschossen werden. Das Erschiessen machte mir aber Angst. Einfach so mit einem Knall ausgelöscht zu werden, diese Vorstellung war für mich der pure Horror. Plötzlich weg zu sein ist ja schrecklich! Ich durfte einen letzten Wunsch äussern. Deshalb bat ich, dass man mir zuerst Betäubungspillen gibt, bis ich halbtot bin und nichts mehr spüre. Und dass man mich erst danach erschiesst. Die Cops, ein Mann und eine Frau, waren damit einverstanden. Die Frau gab mir grosse graublaue Tabletten. Ich schluckte sie eine nach der anderen, aber sie schafften es nicht, mich zu betäuben. Dann bekam ich weitere Tabletten. Auch diese wirkten nicht. Ich schluckte und schluckte Pillen, aber die Betäubung kam und kam nicht. Ich wurde von ihnen nicht einmal müde. Dann erwachte ich plötzlich …

Heute habe ich Julia meinen Traum erzählt. Sie staunte und sagte: «Wow, wenn du schon so tapfer und unerschrocken bist, dann ist es höchste Zeit, dass du einmal mit mir zu einer unserer Aktionen mitkommst. Dein Traum ist ein Zeichen, dass du schon so weit bist».

Wahrscheinlich gehe ich tatsächlich demnächst mit Julia mit. Keine Lust mehr, mich den ganzen Tag nur noch mit Schule, Haushalt und Anton zu beschäftigen. Und jeden Abend Tante Elvira Rechenschaft abzugeben, was am Tag gelaufen ist. Und von ihr die ganze Zeit getadelt zu werden, was ich alles falsch gemacht habe. Und sonst nur daran zu denken, ob Mama und das Baby überleben oder sterben. Das ist so furchtbar! Ich bin so wütend auf alles. Auch auf Anton, der nicht essen will. Und auch auf Tante Elvira, die deshalb mit mir schimpft. Ich würde mich zu wenig um meinen Bruder kümmern, sagt sie. Am meisten wütend aber bin ich auf Romina und Massimo. «Die Scheissausländer!», hat Julia über sie gesagt. Diesmal habe ich ihr nicht widersprochen. Julia hat recht, Oma!

Jetzt versuche ich zu schlafen.

Gute Nacht!

Deine Nadja

 

43.

Liebe Oma,

nun bin ich ganz allein zu Hause. Es ist so grauenhaft still. Anton wird bei Tante Elvira bleiben, bis Mama aus dem Krankenhaus zurückkommt. Wenn sie überhaupt zurückkommt! Denn es ist noch nicht klar, ob sie ihre Blutvergiftung überlebt. Anton hat total aufgehört zu essen und ist sehr abgemagert. Er ist so schwach, dass er nicht mehr zur Schule gehen kann. Einzig Leo kann auf ihn einreden, wenigstens Milch oder Sirup zu trinken. Tante Elvira geht mit ihm nun zum Kinderarzt. Ich glaube aber nicht, dass er eine Krankheit hat. Ihm fehlt einfach Mama. So wie mir auch. Den ganzen Abend habe ich geheult. Ich bin von einem Zimmer ins andere marschiert und habe nur noch nach Mama geweint. «MAMA, WANN KOMMST DU?», rief ich in die Nacht hinaus. Ob sie mich gehört hat, Oma? Ihr seid jetzt beide gleich weit weg von mir. Und ihr sagt nichts. Das ist so schrecklich!

Oma, warum muss ich denn so viel leiden? Was habe ich denn falsch gemacht? Warum hört Anton nicht mehr auf mich? Warum redet er kaum mit mir? Die Katzen sind auch weg. Spurlos verschwunden! Alle beide! Nur der zweite Stock vom Haus steht jetzt stolz da, sieht aber aus wie ein Gespenst. Er ist für mich kein Leuchtturm der Hoffnung mehr. Er ist zu einem dunklen Monster geworden. Seit Mama weg ist …

Jetzt seid ihr alle einfach weg ... Mama, Anton, Papa, du, wir als Familie, Romina, Massimo, die wir so gern hatten, und auch Rominas Eltern. Alles ist plötzlich weg, als sei es nie da gewesen. Nur ich sitze da, allein daheim, und muss auf das Haus aufpassen. Damit nicht eingebrochen wird, so hat Tante Elvira entschieden.

Warum habt ihr mich alle verlassen, Oma? Die Einzige, die sich für mich interessiert, ist jetzt Julia. Sie kommt jeden Abend kurz bei mir vorbei, wenn es schon dunkel ist. Damit sie niemand sieht. Vor allem Tante Elvira nicht. Denn nur Julia weiss, wie es ist, wenn man Angst um seine Mama haben muss. Angst, dass sie stirbt und nie mehr nach Hause kommt. Julia hat das erlebt bis zum Tod ihrer Mama. Aber mich tröstet sie. Sie sagt, Mama sei im besten Krankenhaus der Stadt, mit den berühmtesten Ärzten. Da könne nichts schief gehen, denn sie seien alle sehr erfahren. Mama müsse nicht wie Julias Mutter sterben, denn sie sei nicht durch ausländische Chemie in einer Fabrik verätzt worden. Und wenn jemand sterben solle, dann lieber das Baby mit dem ausländischen Blut, sagt Julia. Inzwischen denke ich auch wie sie. Das Baby ist mir irgendwie egal geworden. Mama ist mir am wichtigsten. Sie soll, bitte, bitte, liebe Oma, bitte, lieber Gott, überleben.

Ich muss jetzt wieder weinen. Heute Abend ist Julia nicht gekommen. Sie ist mit ihrer Clique auf Ausländerjagd gegangen. Oma, ich bin so allein! Sowas von allein, Omaaa!

Bitte denk an mich!

Küsschen!

Deine Nadja

 

44.

Liebe Oma,

was für ein geniales Erlebnis ich heute mit Julia und ihrer Clique hatte! Ich verstehe jetzt gar nicht mehr, warum Tante Elvira und Mama so blöd über sie gelästert haben. Und mir sogar die Freundschaft mit Julia verboten haben. Ich muss mit Mama unbedingt reden, sobald sie wieder daheim ist. Oma, ich denke, Mama und Tante Elvira haben keine Ahnung vom Leben und davon, was da in unserem Land abgeht. Sie sind nicht informiert und wollen sich auch gar nicht informieren. Ich hingegen schon! Seit heute! Deshalb muss ich dir darüber jetzt unbedingt erzählen!

Bevor ich mit Julia zur Aktion ihrer Clique ging, klärte sie mich auf, wie ich mich dort zu verhalten habe. Motto der heutigen Aktion war «Fick den Westen!». Deshalb sollten wir alle auf den Gruss des Cliquen-Führers «Fick den Westen!» mit ausgestrecktem Stinkfinger «Fick den Westen!» antworten. Dem Führer widerspricht man nicht, man ist immer seiner Meinung, denn er ist sehr klug. Man bestätigt, was er sagt, mit den Worten «Ja, so ist es!» Aber nur, wenn man von ihm gefragt wird, sagte mir Julia.

Und so gingen wir zum Parkende am Stadtrand, wo sich die Clique bereits versammelt hatte. Alle waren schon da und warteten auf den Führer. Das Feuer, in dem heute alle EU-Fahnen, eine nach der anderen, verbrannt werden sollten, loderte schon. Es waren um die zwanzig Leute, alles Gymnasiasten oder Studenten. Ich war die jüngste. Alle schauten mich mit Bewunderung an. «Siehst du?», sagte Julia, «Du machst einen sehr guten Eindruck. Weil du zwar klein bist, aber schon politisch engagiert!» Auf einmal verstummte die Gruppe. Der Führer kam auf einem riesigen schwarzen Motorrad an. Es war ein altes einheimisches Militärfahrzeug wie aus dem Museum. Schwarze Lederjacke, schwarze Lederhose, schwarzes T-Shirt, auf dem Rücken eine schwarze Gitarre. Er war um die zwei Meter gross, hatte einen Glatzkopf, und sein Gesicht war total durchgepierct. An beiden Ohren trug er Ohrringe mit Totenschädeln. Ein eindrücklicher Typ! Er gefiel mir irgendwie sofort in seiner Grösse. «Spielt er auch Gitarre wie dein Freund?», fragte ich Julia. «Ja», sagte sie, «Jetzt gründen beide noch eine Band. Und Theodor, so heisst unser Führer, komponiert auch seine eigenen Lieder. Die wirst du gleich hören.» Ich wollte wissen, ob er ein Gymnasiast ist oder ein Student. Er studiere im ersten Jahr an der Militärakademie, erklärte mir Julia. Also ist er etwa sechs Jahre älter als ich, dachte ich.

Dann begann die Aktion. Der Führer und Julias Freund spielten zum Auftakt auf ihren Gitarren das neueste Lied des Führers. Er sang dabei so schön, dass ich von ihm nicht wegschauen konnte. Und alles in seinem Song-Text stimmte derart, dass es mir fast zum Heulen wurde. Er sang über die erniedrigende Armut, in der unser Volk leben muss, er sang darüber, wie viele Menschen das Land verlassen müssen, um zu überleben, und dass der Westen nicht unser Retter ist, sondern unser Henker. Ja, unser Unterdrücker! Da kam mir meine arme Mama in den Sinn. Und auch Onkel Milo, der gezwungen ist, als internationaler Lastwagenfahrer zu arbeiten und monatelang Tante Elvira und Leo nicht sehen kann. Und auch Julias Mutter, die in der Fabrik der Engländer verätzt wurde und an einem Loch im Bauch starb. Und auch die Nachbarn von hinten, die nach Spanien ausgewandert sind, um dort als Putzleute zu arbeiten. Und ihr Haus, ihr Garten, die von Tag zu Tag immer mehr verwildern … Und auch die Nachbarin, die dicke Elena, die vergangene Woche nach Holland gegangen ist, um irgendwelche reichen Greise in ihren Häuser zu pflegen … Und wie ihre Kinder jetzt jeden Tag weinen, weil sie ihre Grossmutter, die nun auf sie aufpasst, hassen. Ich sah vor mir die herausgeputzten Leute aus der Agentur mit ihren Luxuskarossen, Bilder aus dem Fernsehen, die zeigten, wie Ausländer für ein Butterbrot hiesige Häuser kaufen, aber auch Hotels, Unternehmen, einfach alles, was sie wollen.

Als das Lied zu Ende war, hielt der Führer eine irrsinnige Rede. Mega grossartig, wie er sprach! Da nannte er alle Politiker Päderasten, die Zeitungen ihre Claqueure und die Regierung korrupt bis zur Halskrause. «Die Regierung verarscht uns alle. Weil sie sich mit reichen Ausländern zusammenspannt und uns ausbeutet. Fick den Westen!», rief er am Schluss. «Fick den Westen!», schrien wir mit hoch erhobenem Stinkefinger. Dann wurden eine EU-Fahne nach der anderen verbrannt. Die EU ist der Clique grösster Feind. Wir sangen patriotische Lieder. Ein Lied wurde so lange wiederholt, bis die brennende Fahne total zu Asche wurde.

«Wir brauchen eine starke Hand in unserem Land, eine, die national und sozialistisch ist!», rief der Führer «Frei, sozial, national!», riefen alle. «Wir brauchen keine Links aus verrückten Schwuchteln, Lesben und Missgeburten von Gender-Leuten, wie es jetzt im Westen ist. Weg mit diesem Pack! Die sogenannten Linken im Westen sind alles Verräter der echten linken Ideen. Sie alle sind die verwöhnten bezahlte Huren des Kapitals!», rezitierte der Führer. «Fick den Westen!», schrie die Clique. «Wir wollen den Sozialismus zurück, der einst hier war! Ohne Armut, ohne Bettler, ohne Ausländer. Wir wollen unseren Stolz und unsere Würde, die vom Westen mit den Füssen getreten wurden, zurückerobern! Denn wir sind ein grossartiges Volk! Konservativer Sozialismus, das ist unser Weg!», beendete der Führer seine Rede. «Frei, sozial, national!», riefen wieder alle.

«Was ist das, konservativer Sozialismus?», fragte ich Julia leise. «Das hat unser Führer ja soeben erklärt: wir sind nicht nur gegen Ausländer, sondern auch gegen Schwule, Lesben und Gendern», erwiderte Julia. «Und was sind die Gendern?», wollte ich wissen. «Das sind schwule Spinner, die sich als Frauen verkleiden, und wollen, dass alle wie sie werden», erklärte mir Julia. «Wie scheusslich!», dachte ich. Am Schluss riefen wir alle dreimal «Frei, sozial, national! Für immer!».

Bevor wir uns auflösten, stellte mich Julia dem Führer vor. Er lächelte mich an mit seinen stahlgrauen Augen. «Willst du auch zu uns gehören?», fragte er mich. «Ja, so ist es!», sagte ich und nickte, wie mich Julia unterrichtet hatte. «Schön!», salutierte er. «Wir brauchen dich! Leute wie du sind unsere Hoffnung!» Mir wurde es ganz heiss ums Herz. Und auf einmal fühlte ich mich stark. Sehr, sehr stark, Oma! Deshalb salutierte ich einfach zurück. Der Führer war so begeistert, dass er mir auch die Hand schüttelte. «Seid bereit!», sagte er zum Abschied. «Immer bereit!», antwortete ihm Julia. Seit dann kann ich nicht mehr aufhören, an ihn und an seine Stimme zu denken. Oh Wunder, heute Abend muss ich gar nicht mehr im Haus «Mama, wann kommst du?» herumrufen! Frei, sozial, national, Omaaa! Für immer! So viel steht fest!

Gute Nacht und Küsschen, liebste Oma!

Deine Nadja

P.S. Ich weiss nicht, wann ich dir wieder schreiben werde. Denn ich muss ab jetzt bereit sein. Immer bereit! Aber du siehst ja eh alles vom Himmel her. Vielleicht brauchst du meine Briefe gar nicht? Ich liebe dich, Oma!

 


Autor:in: Evelina Jecker Lambreva ist eine bulgarisch-schweizerische Schriftstellerin mit klinischer Lehr- und Praxiserfahrung.